Meißen Literaturfest
Meißen ist eine wunderschöne Stadt – mit einem wunderschönen Literaturfestival . Vor vier Jahren habe ich schon einmal dort gelesen. Damals schien die Sonne gerade so heiß auf die mittelalterlichen Bauten, die sich an den engen Gassen entlang den Berg hochziehen. Putzig. Wie ein Spielzeugstädtchen eines Modelbauers, dem man sage möchte: Du hast übertrieben; so hübsch ist keine Stadt. – Ist sie doch.
Unsere Lesung war im Meißner Obscurum. Eine vermutlich spätmittelalterliche Gewölbekeller-Anlage ist die Location für so manche Veranstaltung.
Zwei Gewölbe laden den Gruselsuchenden ein zu verweilen. Im größeren wird romantisch und bei Kerzenschein neben einer abgeschnittenen Hand gelesen. Im kleineren befindet sich die Bar, ein schmucker Pathologietisch mit übriggebliebenen Gliedmaßen (diesmal nur aus Plastik) und einem alten Zahnarztbohrer. Plüschratten tummeln sich an der Decke. Und Tante Käthe sitzt in einem alten Rohrgeflecht-Rollstuhl und trauert den Zeiten nach, als sie noch mehr war als ein Skelett. Immerhin, sie trägt ein sehr hübsches Hütchen, das so manchen Steampunkerin zur Ehre gereichen würde.
Geplant waren die Lesungen von drei Olivers und mir. Es wurden dann nur zwei Olivers, denn Mr Hoffmann erkrankte leider und musste der Veranstaltung fernbleiben. So lasen
– Oliver Graute aus „Wahre Märchen 2“
– Oliver Plaschka aus „Kristallpalast“
– Und ich aus „Schwingen aus Stein“
Ich glaube, in einem gruseligeren Ambiente habe ich noch nie gelesen. Es hat wirklich Spaß gemacht. Erfreulich auch, dass es rappelvoll war. Tatsächlich mussten die Veranstalter noch ganz viele Leute wegschicken, die einfach nicht mehr in die Räumlichkeiten passten, nicht einmal liegend auf den Seziertisch, denn darauf hatte Ollie den Bucherstand aufgebaut. Eine Auswahl guter Phantastik auf schwarzem Samt auf einem Seziertisch – das hatte Stil.
Sehr schön auch, dass ich eine Bekannte aus dem Filk-Fandom wiedergetroffen habe, die mich netterweise für den nächsten Morgen zum Frühstücken einlud. Es ist immer wieder schön festzustellen, dass die Welt a) klein und b) voller netter Menschen ist.
Die Rückfahrt mit dem Zug goss dann eine Portion Wermutstropfen über eine perfekte Veranstaltung, denn die DB leitete meinen Zug um, und eine Weichenstörung auf der neuen Strecke sorgte dann für eineinhalb Stunden Verspätung. Aber was soll’s? Es war toll! Ich hoffe sehr, dass das Meißener Literaturfestival mich irgendwann wieder einlädt.