Canterbury Tales – Man kann es auch anders sehen
Mannomannomann.
Es ist lange her, dass ich mich mit den Canturbury Tales (eine Sammlung von vierundzwanzig Geschichten im Versmaß, die Geoffrey Chaucer zwischen 1387 und 1400 in Mittelenglisch geschrieben hat) befasst habe. Das war noch in meinem Studium. In den „Tales“ erzählt eine Gruppe Pilger je eine Geschichte. Sozusagen eine frühe Anthologie.
Jetzt habe ich mir das Hörbuch zur Auffrischung geholt. Habe mich durch „The Knight’s Tale“ gehört. Es ist schon ein Unterschied, wenn man ein literarisches Werk im Studium liest und interpretiert oder es einfach nochmal so genießen möchte.
Dies ist jetzt meine nicht literaturwissenschaftliche Zusammenfassung von „The Knight’s Tale“ aus meiner heutigen Sicht. Und ich bin mir durchaus bewusst, dass G. Chaucer seine Rittergeschichte vermutlich satirisch gemeint hat.
Theseus, König von Athen (König? Echt jetzt?) hat gerade die Amazonen besiegt und sich deren Königin/Heerführerin Hippolyta zur Ehefrau gemacht. Dass sie das vielleicht nicht so toll finden mag, wird mit keinem Wort erwähnt.
Männer.
Ein Haufen weinender Witwen aus Theben (Griechenland, nicht Ägypten) hält den König auf und bittet um Hilfe (nicht für Hippolyta, versteht sich), weil ein böser Tyrann (also nicht der gute Tyrann, der sich Heerrführerinnen erbeutet) so gemein ist, ihren in der Schlacht gefallenen Männern das ehrenvolle Begräbnis zu verweigern und die Entsorgung lieber den Hunden überlässt.
Schlechter Stil. Und eindeutig ein Grund, sofort Krieg gegen Theben zu führen und noch ein paar mehr Leichen zurückzulassen, um deren Begräbnis sich vermutlich auch keiner kümmert.
Männer.
Zwei fast Tote, die Thebaner Palamon and Arcite, werden wieder gesundgepflegt und daraufhin lebenslang zum Verrotten in den Athener Kerker geworfen, weil sie ja ihre eigene Stadt verteidigt haben. Eher so Putinsche Moralvorstellungen, die der Edle Theseus da hat.
Von dort aus sehen sie Theseus‘ Schwester, das Blondchen Emelye, und verlieben sich unsterblich. Sie verrotten gerade beide im Kerker, haben aber nichts besseres zu tun, als sich sofort bis aufs Blut darum zu streiten, wer mehr in sie verliebt ist und somit ein Anrecht auf sie hätte, wenn … ja wenn sie nicht lebenslang im Kerker säßen. (ScheiBBe, das)
Männer.
Dann wird Arcite begnadigt, während Palamon weiter im Kerker darben muss (schlecht), aber dabei wenigstens das Blondchen Emelye von weitem sehen darf (gut). Arcite kehrt befreit nach Theben zurück (gut) und darbt dort vor Liebeskummer vor sich hin. Ihr wisst schon: das Blondchen Emelye, das er jetzt niiiiiieee mehr sehen darf. (Schlecht)
Er, der Adlige, schleicht sich zurück ins feindliche Athen (blöd) und verdingt sich als Diener (die Schande!), nur um das Blondchen Emelye weiter sehen zu können. Zu einem Kontakt kommt es aufgrund des vermeintlichen Klassenunterschieds freilich nicht. (Schon doof).
Er war dann wohl so eher der Prototyp des Stalkers.
Jahre ziehen ins Land. Da gelingt Palamon die Flucht. Er steckt gerade in einem Gebüsch im Wald, als Arcite diesem Gebüsch sein großes Liebesleid klagt. (Also treu ist er.)
Konfrontation. Die beiden alten Freunde treffen sich wieder und zwar mit jeder Waffe, der sie gerade habhaft werden können. Sie werden von Theseus mit Hofstaat unterbrochen. Man reitet gerade zur Jagd. (Der Wald hat vermutlich nur den einen Busch)
Aufgeklärt, worum es geht, entscheidet der wundervolle Theseus, dass es viel gerechter ist, wenn die beiden befreit (gut) nach Hause reiten und jeder mit einer Kampftruppe von 100 Rittern zurückkommt, damit man das in Stil austragen kann.
Männer!
An dieser Stelle hätte irgendwer mal Emelye fragen können, ob sie einen der beiden Vollpfosten überhaupt will. Aber das passiert natürlich nicht.
Es kommt zum edlen Zweikampf mit je 100 Kämpfern auf jeder Seite. Edel sei der Mensch, hilfreich und tot. Sehr prächtig, das ganze. Theseus hat keine Kosten und Mühen gescheut, um dem edlen Gemetzel einen feierlichen Rahmen zu gönnen.
Männer!
Inzwischen betet Emelye bei der Göttin Diana, dass sie bitte Jungfrau bleiben darf. Das kann man verstehen. Aber Diana ist anderer Meinung, zumal Mars und Venus jeweils im Palamon bzw. Arcite Fanclub sind. Ich stelle sie mir mit Fähnchen in der ersten Reihe der Tribüne vor.
Götter!!!!
Einer von beiden gewinnt. Glaubt mir, es ist ganz wurscht, wer.
Der Überlebende bekommt die vermutlich völlig begeisterte Emelye, die immer noch keiner gefragt hat, zur Gattin, und sie leben glücklich bis an ihr Lebensende.
Wer all die Leichen entsorgt, wird nicht geklärt.
Männer!